Regelreserve in Deutschland

Hintergrund

Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben die Aufgabe, das Leistungsgleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -abnahme in ihren Leistungsfrequenzregelzonen ständig aufrecht zu halten. Hierfür benötigen die ÜNB Regelreserve. Diese unterscheidet sich hinsichtlich ihres Abrufprinzips und ihrer zeitlichen Aktivierung. So wird die Primärregelreserve (Frequency Containment Reserve, FCR) innerhalb weniger Sekunden, die Sekundärreserve (automatic Frequency Restoration Reserve, aFRR) innerhalb von fünf Minuten und die Minutenreserve (manual Frequency Restoration Reserve, mFRR) innerhalb von 12,5 Minuten vollständig aktiviert. Seit dem Jahr 2001 beschaffen die deutschen ÜNB ihren Bedarf an Primärregel- und Sekundärregel- sowie Minutenreserve auf einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Markt für Regelreserve entsprechend der Vorgaben des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur. Durch eine Kooperation der vier deutschen ÜNB im Rahmen des Netzregelverbundes (NRV) kann der Gesamtbedarf an Regelreserve reduziert werden.

Präqualifikation

Damit beispielsweise Kraftwerksbetreiber oder Aggregatoren als mögliche Lieferanten an den Ausschreibungen der drei Reservequalitäten teilnehmen können, müssen diese verschiedene Anforderungen erfüllen. Dies wird im Rahmen der Präqualifikation durch den ÜNB überprüft. Als Download stehen die einheitlichen Präqualifikationsunterlagen unter folgenden Link zur Verfügung:  https://www.regelleistung.net/ext/static/prequalification

Seit dem 01. Juni 2020 können Technische Einheiten in Luxemburg an der Ausschreibung von Primärregelreserve in Deutschland teilnehmen. Hierzu haben die beiden Übertragungsnetzbetreiber Creos und Amprion ein Kooperationsmodell entwickelt. Dieses sieht vor, dass Amprion die Rolle des Anschluss-ÜNB einnimmt.

Dimensionierung

Der Bedarf an Primärregelreserve wird im Gegensatz zur Ermittlung des Sekundärregel- und Minutenreservebedarfs auf europäischer Ebene festgelegt. Dabei wird für das kontinentaleuropäische Synchrongebiet der Ausfall von 3.000 MW Erzeugungsleistung bzw. Verbrauch als Referenzstörfall angenommen. Dieser Primärregelreservebedarf wird auf Basis eines jährlich neu berechneten Verteilungsschlüssels den ÜNB des Synchrongebiets zugeordnet. Maßgeblich hierfür sind die jährliche Nettostromerzeugung und der jährliche Nettostromverbrauch in der Leistungsfrequenzregelzone des ÜNBs. Der Bedarf an Sekundärregel- und Minutenreserve wird im Rahmen eines Dimensionierungsverfahren durch die deutschen ÜNB ermittelt. Seit dem 9. Dezember 2019 werden diese Bedarfe nicht mehr quartalsweise bestimmt, sondern dynamisch eine Woche im Voraus für die jeweiligen Produktzeitscheiben berechnet. Dieses neue Verfahren trägt den veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen Rechnung und setzt dabei insbesondere die Vorgaben der europäischen Verordnung zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb (Guideline System Operation, GL SO) um.

Ausschreibung

Alle Reservequalitäten werden täglich ausgeschrieben. Das Mindestgebotsvolumen sowie das Gebotsinkrement in allen Ausschreibungen beträgt 1 MW. Primärregelreserve wird ausschließlich basierend auf dem angebotenen Leistungspreis nach dem Einheitspreisverfahren kontrahiert. Mit Einführung des Regelarbeitsmarktes (RAM) wird seit 2020 eine getrennte Beschaffung von Regelleistung und Regelarbeit vorgenommen. Die Einführung des RAM ist die nationale Grundlage für den europäischen Binnenmarkt für Regelreserve und entspricht der Anforderung aus Artikel 16 (5) EB-VO. Er bietet Regelreserveanbietern die Möglichkeit, nach Abschluss der Regelleistungsausschreibung dort erfolgreich bezuschlagte Gebote anzupassen und/oder neue Gebote (ohne Leistungspreis) abzugeben. Bei der Sekundärregel- und Minutenreserve erfolgt die Vergütung am RLM nach dem Gebotspreisverfahren, die Vergütung für den RAM nach dem Einheitspreisverfahren entsprechend der jeweiligen Aktivierung.

Aktivierung von Regelreserven

Die Aktivierung der vorgehaltenen Regelreserven unterscheidet sich je nach Reservequalität. Während die Primärregelreserve gemäß dem Solidaritätsprinzip dezentral im gesamten Synchrongebiet auf Basis der Abweichung vom Sollwert der Netzfrequenz aktiviert wird, werden die Sekundärregel- und Minutenreserve gemäß dem Verursacherprinzip aktiviert. Dies bedeutet, dass die Sekundärregel- und Minutenreserve durch den regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber aktiviert werden in dessen Verantwortungsbereich die Ursache des Bilanzungleichgewichts liegt. Die Aktivierung der Sekundärregelreserve erfolgt automatisch zur Ablösung der Primärregelreserve, wohingegen der Einsatz der Minutenreserve manuell durch den Übertragungsnetzbetreiber angefordert wird.

Veröffentlichung

Ausschreibungsergebnisse (z. B. Mengen und Preise) werden auf  www.regelleistung.net veröffentlicht.

Internationale Kooperationen und Plattformen

Neben der Kooperation der deutschen ÜNB auf nationaler Ebene im Rahmen des NRVs gibt es zusätzlich verschiedene Kooperationsprojekte auf internationaler Ebene. Seit Februar 2020 erfolgt im Zuge einer Sekundärregelleistungskooperation zwischen Deutschland und Österreich auch eine gemeinsame Beschaffung der Sekundärregelreserve. Darüber hat Amprion gemeinsam mit den anderen europäischen ÜNB im Rahmen der Umsetzung der europäischen Verordnung für den Systemausgleich (Guideline Electricity Balancing, GL EB) europäische Plattformen zur gemeinsamen Aktivierung von Regelarbeit aufgebaut. Ziel ist die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Regelreserve. Weitere Informationen zu den einzelnen Plattformen finden Sie unter:

  • Platform for the International Coordination of Automated Frequency Restoration and Stable System Operation ( PICASSO)
  • Manually Activated Reserves Initiative ( MARI)
  • International Grid Control Cooperation ( IGCC)
  • Frequency Containment Reserves Cooperation ( FCR-Cooperation)
  • Trans European Replacement Reserves Exchange ( TERRE)

Kontakt

Bei Rückfragen wenden Sie sich an folgende E-Mail-Adresse: ten.noirpma@negnutsieltsneidmetsys