Windräder vor einer Umspannanlage, einem Kraftwerk und Strommasten im Hintergrund

Szenariorahmen steht, Netzentwicklungsplan kommt

Amprion plant das Netz für eine klimaneutrale Industrie

Die Industrie in der Amprion-Regelzone will sich dekarbonisieren. Dadurch ändert sich ihr Strombedarf. Informationen darüber helfen uns, das Stromnetz besser zu planen. Denn diese Informationen fließen in den Szenariorahmen ein und bilden damit die Grundlage für den Netzentwicklungsplan Strom 2023–2037/2045. Dieser nimmt erstmals das klimaneutrale Energiesystem in den Blick – und bietet der Industrie eine Dekarbonisierungsperspektive.

Der Chemie-Konzern BASF will seine CO2-Emissionen bis 2030 um 25 Prozent reduzieren. „Den größten Hebel haben wir im Bereich Prozesswärme“, sagte Markus Scheuren, Leiter Energieverbund, Management und Legislation von BASF, auf dem Amprion-Kundentag 2022. Diese Prozesswärme braucht das Unternehmen, damit chemische Prozesse laufen. Mit der neuen Technologie „Power to Steam“ löst Strom fossile Energieträger in der Wärmeerzeugung ab. Die Konsequenz: „Mit der zunehmenden Elektrifizierung unserer Prozesse erwarten wir, dass sich unser Strombedarf bis 2040 mindestens verdoppeln wird, vielleicht sogar verdreifachen.“ Für Systementwickler wie Henry Hoffmann, Leiter Netzentwicklung von Amprion, sind solche Informationen Gold wert. BASF gehört zu den großen Stromverbrauchern in der Amprion-Regelzone. Das BASF-Werk Ludwigshafen mit 35.000 Beschäftigten ist direkt an das Höchstspannungsnetz angeschlossen. „Uns hilft jede Information, mit deren Hilfe wir Bedarfe an Strom oder Wasserstoff lokalisieren können“, sagt Hoffmann.

"Indem wir ihre Belange in der Netzentwicklung berücksichtigen, gewinnen die Unternehmen selbst Sicherheit, wie sie künftig Energie bekommen."
Stephan Morgenschweis, Leiter Customer Management bei Amprion

Der Szenariorahmen – Grundlage des Netzentwicklungsplans (NEP)

Veränderungen wie bei BASF gehen auch in den Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan Strom 2023-2037/2045 ein. Der Szenariorahmen beschreibt eine Bandbreite an wahrscheinlichen Entwicklungen des nationalen Energiesystems in den kommenden Jahrzehnten – stets unter Berücksichtigung der langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung. Er bildet die Grundlage, um im nachfolgenden Netzentwicklungsplan (NEP) konkrete Ausbaubedarfe für das Übertragungsnetz zu identifizieren.

Die Übertragungsnetzbetreiber erarbeiten den Szenariorahmen alle zwei Jahre, die Bundesnetzagentur genehmigt ihn. Der im Juli 2022 genehmigte Szenariorahmen, ist ein besonderer: Er nimmt erstmals das Erreichen der Klimaneutralität 2045 in den Blick. Dann soll die deutsche Wirtschaft keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen.

Mehr Strom, mehr Wasserstoff

Je nach Produktionsprozess gibt es für die Dekarbonisierung der Industrie zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Die erste fußt – wie bei BASF – darauf, die bislang genutzten fossilen Energieträger durch erneuerbar erzeugten Strom zu ersetzen. Die zweite Dekarbonisierungsoption ist der Einsatz von grünem Wasserstoff. Um diesen in Elektrolyseuren zu erzeugen, braucht es ebenfalls Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Der Standort der Elektrolyseure hat Einfluss auf mögliche Netzengpässe und ist demnach bei der Netzplanung zu berücksichtigen. Der aktuelle Szenariorahmen beschreibt die Voraussetzungen: „Die Grundlage für das Klimaneutralitätsnetz ist gelegt“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

Die gute Nachricht für Amprion-Kunden wie BASF: „Die Belange der Industrie werden im Szenariorahmen – und damit auch in den Planungen für ein künftiges Klimaneutralitätsnetz – viel besser berücksichtigt“, sagt Stephan Morgenschweis. Darauf habe Amprion hingewirkt, sowohl beim Strom als auch beim Wasserstoff:

  • Beispiel Strombedarf: Für das Jahr 2045 erwarten Systementwickler*innen, dass sich der Bruttoverbrauch gegenüber heute mehr als verdoppelt – auf bis zu 1.300 Terawattstunden.
  • Beispiel Wasserstoff: „Die Werte für die erwartete Wasserstoffnachfrage wurden ebenfalls nach oben geschraubt“, so Morgenschweis. Die Szenarien der Bundesnetzagentur (siehe Grafik) gehen davon aus, die Kapazitäten der Elektrolyseure auf bis zu 80 Gigawatt auszubauen. Um den Energiebedarf zu decken, soll sich die installierte Leistung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen verfünffachen – auf mehr als 600 Gigawatt.

Kunden in die Netzplanung einbinden

Große Industrieunternehmen wie BASF haben sich schon früh an den Netzplanungen von Amprion beteiligt, damit das Stromnetz die nötige Energie für die grüne Transformation transportieren kann. „Bei unseren Industriekunden haben wir inzwischen ein relativ gutes Bild“, sagt Stephan Morgenschweis. Auch intensivere Kontakte zu Interessenvertretungen wie dem Verband der Chemischen Industrie hätten sich ausgezahlt. Nachholbedarf sieht der Leiter Customer Management bei Unternehmen, die nicht an das Amprion-Netz, sondern an die mit ihm verbundenen Verteilnetze angeschlossen sind. „Auch für sie spielt die Dekarbonisierung eine zunehmend wichtige Rolle“, so Morgenschweis. Er möchte den Informationsfluss in diese Richtung verbessern – in enger Abstimmung mit den Verteilnetzbetreibern.

Der Zeitplan zum Netzentwicklungsplan

Derzeit arbeitet sein Team daran, auf Basis des Szenariorahmens konkrete Netzausbaubedarfe für die Zieljahre 2037 und 2045 zu ermitteln. Sie werden mit den anderen Übertragungsnetzbetreibern abgestimmt und der Bundesnetzagentur im ersten Entwurf des NEP Ende März 2023 vorgelegt.

Auch wenn die Modellierungen der Systementwickler*innen derzeit noch laufen – es ist klar, dass es mit dem Netzausbau dynamisch weitergeht: „Die Veränderungen des Energiesystems sind schon rasant – und werden durch den Kohleausstieg deutlich an Geschwindigkeit zulegen“, sagt Henry Hoffmann. „Alles, was wir bisher an Netzausbau geplant haben, reicht dafür nicht. Wir pfeifen ein neues Spiel an.“

Nach dem Netzentwicklungsplan ist vor dem Netzentwicklungsplan

Klar ist auch, dass das klimaneutrale Energiesystem der Zukunft nur integriert zu denken ist – indem die Netze für Strom, Gas und Wasserstoff gemeinsam geplant und koordiniert werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat deshalb damit begonnen, eine Systementwicklungsstrategie zu erarbeiten. Sie umfasst „ein sektorübergreifend kohärentes Leitbild und eine robuste Strategie für die Transformation des Energiesystems“, so Staatssekretär Dr. Patrick Graichen. Amprion wird sich am Erstellungsprozess beteiligen. Ende 2023 sollen Ergebnisse vorliegen und als Grundlage für den darauffolgenden NEP 2025 dienen.

Weiterführende Links

  • Ausführliche Informationen zum Netzentwicklungsplan Strom finden Sie auf  netzentwicklungsplan.de.
  • Mehr über die Schritte zum Netzausbau, vom Szenariorahmen bis zur Realisierung finden Sie hier.