Das Bild zeigt ein Offshore-Schiff in einem Windpark.

Offshore-Windenergie ans Netz anbinden

„Wir sind gekommen, um zu bleiben“

Erstmals plant Amprion zwei Netzanbindungssysteme für Offshore-Windparks in der Nordsee. Weitere werden folgen, sagen Peter Barth und Dr. Carsten Lehmköster, Geschäftsführer der Amprion Offshore GmbH. Sie werben dafür, die Windparks aller Nordsee-Anrainer miteinander zu vernetzen.

Herr Barth, Herr Dr. Lehmköster, Amprion ist bisher für das Übertragungsnetz in West- und Süddeutschland verantwortlich. Wie kommt es, dass Sie nun planen, Windparks in der Nordsee anzuschließen?

Peter Barth Porträt Amprion Offshore GmbH

Peter Barth, Geschäftsführer Amprion Offshore GmbH

Peter Barth: Das mag in der Tat verwundern. Bislang sind für die Netzanschlüsse der Windparks in Nord- und Ostsee andere Übertragungsnetzbetreiber zuständig. Deren Netzgebiete reichen bis an die Küsten von Nord- und Ostsee. Dass nun auch Amprion dort aktiv wird, liegt an einer Vorgabe des Energiewirtschaftsgesetzes. Danach ist immer der Übertragungsnetzbetreiber für die Netzanbindung von Offshore-Windparks zuständig, an dessen Umspannanlage die Systeme angeschlossen werden. Das ist im Falle der geplanten Systeme, die die Projektnamen „DolWin4“ und „BorWin4“ tragen, die Amprion-Umspannanlage Hanekenfähr in Lingen im Emsland.

Sie liegt ziemlich weit weg von der Küste …

Dr. Carsten Lehmköster: Stimmt. An Land müssen wir bis dorthin etwa 150 bis 170 Kilometer Erdkabel verlegen. Aber durch den massiven Ausbau der Windkraft in der Nordsee ist das Netz in der niedersächsischen Küstenregion inzwischen stark ausgelastet. Daher hat die Bundesnetzagentur entschieden, die Anschlusspunkte für die Anbindungssysteme weit ins Binnenland zu verlegen. Die Umspannanlage Hanekenfähr schließt bislang unter anderem das Kernkraftwerk Emsland an das Übertragungsnetz an. Es wird Ende 2022 vom Netz gehen. Dann werden an diesem starken Netzknotenpunkt Übertragungskapazitäten frei, die künftig für den Transport von Windstrom genutzt werden sollen. So bringen wir die erneuerbare Energie in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands. Und verbinden die Erzeugung auf See mit dem Bedarf an Land.

Auf welche technischen Herausforderungen stellen Sie sich ein?

Carsten Lehmkoester Amprion Offshore GmbH

Carsten Lehmköster, Geschäftsführer Amprion Offshore GmbH

Lehmköster: Amprion muss bei DolWin4 eine rund 220 Kilometer lange Verbindung bauen, wovon rund 50 Kilometer auf See verlaufen. Bei BorWin4 ist die Trasse sogar etwa 300 Kilometer lang, von denen 130 Kilometer Kabel im Nordseeboden verlegt werden. Die Seekabel müssen unter komplizierten Bedingungen umweltschonend und sicher im Meeresgrund verlegt werden. Das ist natürlich herausfordernd. Hinzu kommt die Installation von Konverterplattformen auf hoher See. Konverter wandeln den Wechselstrom aus den Windkraftanlagen in Gleichstrom um, der sich beinahe verlustfrei über große Entfernungen transportieren lässt. Die Plattformen müssen den rauhen Bedingungen in der Nordsee standhalten. Schließlich sind wir im ostfriesischen Watt tätig, das zum „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ gehört. Es ist selbstverständlich, dass wir dort noch stärker als in anderen Bereichen auf besonders umweltschonende Verlegetechniken zurückgreifen.

Barth: An Land haben wir den Vorteil, dass wir Synergien mit einem anderen Erdkabelprojekt nutzen können, dem Projekt „A-Nord“. So heißt die neue Gleichstromverbindung, die ab 2025 von Emden aus Windstrom in den Süden transportieren soll. Wir wollen im Rahmen von A-Nord die für DolWin4 und BorWin4 notwendigen Leerrohre gleich mitverlegen. So können wir Zeit und Kosten sparen. Außerdem reduzieren wir die Eingriffe in Boden und Landschaft.

Nach dem derzeitigen Stand soll DolWin4 2028 und BorWin4 2029 in Betrieb gehen. Klingt nach viel Zeit.

Barth: Der Eindruck täuscht. Wir wollen im Frühjahr 2021 die Ausschreibungen für alle wichtigen Hauptkomponenten beginnen, deshalb laufen bei uns die entsprechenden Vorbereitungen auf Hochtouren. Das Offshore-Team umfasst derzeit rund 80 erfahrene Projektmanager, Ingenieure, Genehmiger und Vertragsmanager – und wir verstärken uns weiter. Insgesamt investiert Amprion rund vier Milliarden Euro in die ersten beiden Netzanbindungssysteme.

Lehmköster: Und wir kommen voran, liegen inzwischen sogar vor dem Plan. Die zuständigen Behörden haben auf Basis zweier von uns erarbeiteter Machbarkeitsstudien entschieden, dass ein Raumordnungsverfahren weder im südlichen noch im nördlichen Genehmigungsabschnitt an Land erforderlich ist. Unser Offshore-Team kann nun früher als geplant damit beginnen, die Planfeststellungsverfahren in diesen Abschnitten vorzubereiten.

Das Foto im Querformat lässt den Betrachter von oben auf eine große Trommel für Offshore Seekabel blicken. Ringsherum sind Kräne und Gerüste zu erkennen, an den Seiten und dahinter erstreckt sich das Meer.

Offshore Seekabel

Wie geht es mit Offshore bei Amprion weiter?

Barth: Die Bundesregierung hat kürzlich ein Offshore-Ziel von 20 Gigawatt Leistung bis 2030 und insgesamt 40 Gigawatt Leistung bis 2040 beschlossen. Das eröffnet ein großes Potenzial für neue Windparks und entsprechende Netzanbindungssysteme. Die Musik spielt dabei vor allem in der Nordsee. DolWin4 und BorWin4 werden dort nicht unsere letzten Offshore-Projekte sein. Wie heißt es in einem Popsong: Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Lehmköster: Wir werden im Offshore-Bereich mehr Verantwortung übernehmen. Gegenwärtig bereiten wir den Start der Planungen von zwei weiteren Netzanbindungssystemen vor. Sie werden mit jeweils zwei Gigawatt Leistung deutlich über das hinausgehen, was DolWin4 und BorWin4 leisten, und sollen kurz nach 2030 in Betrieb gehen. Der aktuelle Netzentwicklungsplan sieht beide Verbindungen vor.

Wie ordnen sich diese Pläne in den Ausbau von Offshore insgesamt ein?

Lehmköster: Die Anrainerstaaten der Nordsee planen bis 2050 Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von mehr als 200 Gigawatt in der Nordsee. Deutschland trägt dazu bei. Mit unseren Anbindungssystemen leisten wir wiederum einen wichtigen Beitrag dazu, den auf See erzeugten Windstrom an Land zu bringen. Die gewaltigen Investitionen rufen aber auch die Frage auf, ob jedes Land für sich allein plant – oder ob es nicht mehr Sinn macht, die Windenergie partnerschaftlich auszubauen und Offshore ganzheitlich zu denken. Dieser Gedanke steht hinter dem Konzept „Eurobar“. Es zielt darauf, die Offshore-Windparks in der Nordsee miteinander zu vernetzen und die Netzgebiete der Anrainerstaaten über die Nordsee zu verbinden.

Was bringt das?

Barth: Das neue Netz könnte den Offshore-Strom in der Nordsee großräumig sammeln und flexibel verteilen. Denn der Wind weht dort nicht überall gleich stark und zur selben Zeit. Außerdem ist der Energiebedarf der Anrainer unterschiedlich ausgeprägt. Eurobar erlaubt es, den Strom über weite Strecken abzutransportieren – bis nach Skandinavien, wo die Windenergie zweitweise die Wasserkraft ersetzen kann. Die Energie aus der Wasserkraft kann in Norwegen aufgestaut werden und in windschwachen Zeiten den Netzkunden in anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden.

Lehmköster: Alle bereits geplanten Offshore-Konzepte ließen sich integrieren. Das zeichnet Eurobar aus. Die konkrete technische Ausgestaltung wollen wir gemeinsam mit allen Partnern entwickeln. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten.

Weitere Informationen zum Thema

Das Bild im Querformat zeigt Offshore-Windräder in der Nordsee.

OFFSHORE-VERNETZUNG IST DIE ZUKUNFT

Das Konzept „Eurobar“

Windenergieanlage im Meer.

Pressemeldung zu Eurobar