Wenige Wochen nach dem Amprion-Kundentag in Mainz veröffentlichten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) die Zahlen, auf die Netzkunden jedes Jahr gespannt warten: die vorläufigen bundeseinheitlichen Netzentgelte. Doch wie hoch werden sie voraussichtlich im kommenden Jahr sein und was sind die Einflussfaktoren?
Im kommenden Jahr wird das durchschnittliche Netzentgelt der Höchst- und der Umspannungsebene voraussichtlich 6,65 Cent pro Kilowattstunde (Cent/kWh) betragen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Anstieg von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2024: 6,43 Cent/kWh). Wichtig ist jedoch: Dieser Durchschnittswert hat insbesondere für das kommende Jahr wenig Aussagekraft. Je nachdem, an welcher Spannungsebene ein Kunde angeschlossen ist und je nach Benutzungsstundendauer fällt das Netznutzungsentgelt sehr unterschiedlich aus. Für einige sinkt das Netzentgelt signifikant, für andere steigt es.
Dabei ist es nicht die Höchst-, sondern die Umspannungsebene, in der die Kosten steigen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens haben sich die prognostizierten Entnahmemengen in den verschiedenen Spannungsebenen geändert. In der Höchstspannungsebene sind sie gestiegen. Gleichzeitig haben sich die Entnahmemengen in der Umspannungsebene, die für die Verteilung auf niedrigere Spannungsebenen verantwortlich ist, verringert. Zweitens gab es methodische Anpassungen bei der Zuteilung der Kosten auf die Spannungsebenen. Ergebnis: Die durchschnittlichen Netzentgelte 2025 in der Höchstspannungsebene sinken um 12 Prozent, während sie in der Umspannungsebene um 20 Prozent steigen.
So funktioniert die Netzentgelte-Rechnung
Marco Stoltefuß, Leiter Netzwirtschaft bei Amprion, erläuterte beim Kundentag die Zusammenhänge für die Entwicklung der Übertragungsnetzentgelte. Die Kosten für Betrieb, Kapital, sonstige Systemdienstleistungen und Engpassmanagement werden summiert und durch die abrechenbaren Energiemengen dividiert. Dies ergibt das Netzentgelt.
Bei den Amprion-Netzkosten 2024 in Höhe von etwa drei Milliarden Euro sah die Verteilung wie folgt aus: Der Anteil der Betriebskosten betrug zehn Prozent, der Anteil der Kapitalkosten 27 Prozent. Die sonstigen Systemdienstleistungen machten 29 Prozent aus, das Engpassmanagement schließlich die verbleibenden 33 Prozent.
Wie entwickeln sich nun die einzelnen Faktoren? Sind sie Kostentreiber oder Kostendämpfer? Und was ist mit dem Divisor in der Rechnung, der abrechenbaren Energiemenge?
Kostentreiber und Kostendämpfer
Keine großen Auswirkungen nach oben oder unten haben die Betriebskosten. Die seien in der laufenden Regulierungsperiode weitgehend stabil, sagte Stoltefuß. Mit steigenden Investitionen ins Netz steigen die Kapitalkosten. und damit auch die Netzentgelte um ca. 8% in 2025.
Bei den Systemdienstleistungen ergibt sich folgendes Bild: Die Netzverlustkosten, also die Kosten für den Ausgleich der Energieverluste beim Transport, hängen vom Strompreis-Niveau ab. Ein deutlich fallender Strompreis lässt daher auch diesen Kostenblock bei den Netzentgelten sinken – der Amprion-Experte erwartet eine Größenordnung von neun Prozent für 2025.
Keine große Bewegung gibt es aktuell bei den Kosten für die Vorhaltung der Regelleistung. Allerdings ist der Anteil dieser Kosten an den Netzentgelten mit etwa sechs Prozent auch überschaubar. Immerhin leistet dieser Bereich einen Beitrag zur Kostendämpfung. „Die Kosten für die Vorhaltung dieser Leistung werden 2025 etwas geringer sein als 2024 – um zwei Prozent“, prognostizierte Stoltefuß.
„Die Vorhaltekosten werden für 2025 und auch perspektivisch steigen“

Großes Thema: Engpassmanagement
Ein großes Thema ist das Engpassmanagement. „Die Engpassmanagement-Kosten sind stark von den Gaspreiskosten abhängig“, sagte Stoltefuß beim Kundentag. Allerdings erwartet Amprion trotz höherer Redispatch-Mengen einen geringfügigen Rückgang der Kosten in diesem Bereich. Eher ein Kostentreiber ist hingegen, dass im Zuge des Ausstiegs aus der Kohleverstromung Anlagen aus dem „aktiven Dienst“ in die Netzreserve und damit in die Netzkosten wechseln. Die Anlagen werden älter, mithin steigt der Revisionsbedarf. „Die Vorhaltekosten werden für 2025 und auch perspektivisch steigen“, sagte Stoltefuß.
Die Entnahmemenge stagniert
Soweit zu den Kostenfaktoren der Netzentgelte. Aber wie entwickelt sich die Entnahmemenge, durch die diese Kosten geteilt werden? „Seit 2019 gehen die Entnahmen im Schnitt um ca. zwei Prozent pro Jahr zurück – bei gleichen Kosten steigen die Entgelte damit allein durch den Mengenrückgang um zwei Prozent pro Jahr“, erläuterte Stoltefuß. Das hat Gründe: Infolge der dezentralen Einspeisung kleinerer Stromerzeuger entnehmen die Verteilnetzbetreiber weniger Strom aus dem Höchstspannungsnetz. Die Verbindung zum Verteilnetz muss aber natürlich trotzdem vorgehalten werden, also fallen die gleichen Kosten auf weniger Kilowattstunden an. Und: Neue Verbraucher im Übertragungsnetz – Batteriespeicher und Elektrolyseure – sind in den nächsten Jahren laut Energiewirtschaftsgesetz von den Netzentgelten befreit.
Welche Erkenntnisse und Forderungen leitet Amprion nun aus dieser Ausgangslage ab?
Zwei Drittel der Kosten der Übertragungsnetzbetreiber hängen direkt oder indirekt von Großhandelspreisen ab. Wenn die Kosten weiter steigen, müssen sie auf eine stagnierende Entnahmemenge verteilt werden.
Das bedeutet unter Umständen eine erhebliche Belastung für die Kunden. Deshalb lautet die Forderung von Amprion: In der derzeitigen Transformationsphase, in der Kapital- und Engpassmanagementkosten gleichzeitig steigen, ist den Kunden nicht zuzumuten, beides zu tragen. Da die Kosten für das Engpassmanagement wenig mit dem Netz an sich zu tun haben, sondern in erster Linie Ergebnis politischer Ziele sind, sollten diese, so Stoltefuß, auch nicht von den Netzkunden bezahlt werden. Sondern zum Beispiel staatlich.