Blackout durch Bäume an Leitungen: Wie Amprion vorbeugt

Netzstabilität Umwelt
Lesedauer: 8 Min.
Ein Mann mit gelber Regenjacke steht mit dem Rücken zur Kamera in einer grünen, hügeligen Landschaft und betrachtet Hochspannungsmasten in der Ferne. Er hält ein Tablet oder einen Laptop in den Händen, vermutlich zur Inspektion oder Datenerfassung. Die Masten und Leitungen erstrecken sich durch die Landschaft und verschwinden im Nebel. Dichte Büsche und Bäume rahmen das Bild im Vordergrund ein, während das Wetter feucht und neblig erscheint.
Am 21. Juni 2024 führten in Stromtrassen hineinwachsende Bäume in Südosteuropa zu einem schweren Blackout. Wir erklären, warum solche Vorfälle in Deutschland praktisch ausgeschlossen sind.

Was war geschehen? An diesem Tag fielen zwei 400-kV-Leitungen in kurzer Folge unabhängig voneinander aus – ein sogenannter N-2-Störfall. Um 12.09 Uhr fiel zuerst die Leitung Ribarevine-Podgorica in Montenegro wegen eines Kurzschlusses aus. Dadurch stieg die Belastung anderer Leitungen, ohne jedoch bereits Netzüberlastungen oder Frequenzprobleme zu verursachen. Um 12.22 Uhr wurde dann aber die Leitung Zemblak-Kardia zwischen Albanien und Griechenland ebenfalls durch einen Kurzschluss durch leitungsnahe Vegetation unterbrochen, was die Spannung im südöstlichen Teil des Stromnetzes schnell abfallen ließ.

13 Minuten
zwischen den Vorfällen

an der Leitung Ribarevine-Podgorica und der Leitung Zemblak-Kardia

Danach wurden in der Region mehrere Leitungen durch Schutzmaßnahmen abgeschaltet, was einen teilweisen Blackout in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kroatien nicht mehr verhindern konnte. Die Übertragungsnetzbetreiber konnten den normalen Betrieb allerdings schnell wiederherstellen.

Amprion_Karte_Blackout_OTM
K
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A
K
Kroatien
B
Bosnien und Herzegowina
M
Montenegro
A
Albanien

Karte erstellt mit mapchart.net

Expertenkommission analysierte Vorfall

Im Juli 2024 bildete sich eine Expertenkommission mit Vertretern von ENTSO-E, betroffenen Netzbetreibern und anderen Institutionen. ENTSO-E klassifiziert Vorfälle auf einer Skala von 0 bis 3. Dieser Vorfall wurde mit dem höchsten Wert eingestuft, da ein Blackout eintrat. Kurzschlüsse in zwei nicht zusammenhängenden Übertragungsleitungen in kurzer Folge sind ungewöhnlich. Netzbetreiber bereiten sich auf N-1-Fälle vor, nicht jedoch auf N-2-Fälle.

Die Grundursache war die Vegetation, die zu nah an die Leiterseile gewachsen war und somit zu den Kurzschlüssen geführt hat.

Dr. Florian Bennewitz

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Referent Systemführung Netze

Der Bericht zeigt, dass zu hohe Vegetation bei den Kurzschlüssen eine Rolle spielte: In beiden Fällen verursachten Bäume an der Trasse die Leitungsunterbrechungen. Die Wetterbedingungen an diesem Tag und die Auslastung der Leitung spielten jedoch keine entscheidende Rolle.

Entscheidend, um Kurzschlüsse zu vermeiden: Angemessenes Rückschneiden der Vegetation entlang der Trasse

Dringlichkeit nicht rechtzeitig erkannt

Der Bericht sagt, dass die „Notwendigkeit und Dringlichkeit“ des Vegetations-Rückschnitts nicht erkannt wurde. Im Falle der Leitung Podgorica-Ribarevine kam hinzu, dass man keine Möglichkeit hatte, die Arbeiten rechtzeitig auszuführen.

Zum Hintergrund: Der zuständige montenegrinische Netzbetreiber CGES verfügt laut Bericht nicht über eine formelle schriftlich dokumentierte Vegetationskontrolle oder eine Sammlung von Leitlinien. Die bestehenden Verfahren konzentrieren sich in erster Linie auf die Häufigkeit der Trasseninspektionen, die zweimal im Jahr – im Frühjahr und im Herbst – stattfinden, und auf die Berichterstattung über die Ergebnisse dieser Inspektionen.

Der Prozess zwischen den Inspektionen wird jedoch eher informell gehandhabt. Während CGES-Mitarbeiter*innen die optischen Korridorinspektionen vornehmen, wird das Rückschneiden der Vegetation an externe Auftragnehmer vergeben. Die tatsächliche Durchführung folgt erst nach Genehmigung durch die Forstbehörden. Ob und wann die erteilt wird, hängt aber oft von externen Faktoren und den Prioritäten der zuständigen Behörden ab. Anders als in einigen Nachbarländern gewähren die forstwirtschaftlichen Vorschriften Montenegros keinen Sonderstatus für Wälder innerhalb oder in der Nähe von Freileitungskorridoren. Daher gilt in diesen Gebieten dasselbe vollständige Genehmigungsverfahren wie für andere Abholzungsaktivitäten.

Der Bericht betont, dass ein angemessener Rückschnitt entscheidend ist, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Die Empfehlung am Schluss lautet: Netzbetreiber sollten ihre Verfahren zur Überwachung des Vegetationswachstums überprüfen.

Amprion plant Trassenpflege langfristig

In Deutschland gibt es die Eintragung bestimmter Nutzungsrechte, sogenannte Dienstbarkeiten, im Grundbuch. Damit wird sichergestellt, dass die Flächen, auf denen Amprion Masten errichtet, für den Bau, aber eben auch später für Instandhaltung und die Trassenpflege betreten werden dürfen. Gleichzeitig vereinbart Amprion mit Eigentümer*innen und Behörden einen vorausschauenden Pflegeplan im Rahmen des Ökologischen Trassenmanagements. Kontinuierlich überprüfen Expert*innen die betriebstechnischen und ökologischen Bedürfnisse während der gesamten Betriebsdauer und passen gemeinsam das Planwerk an.

Für die Trassenpflege liegen uns langfristige Zustimmungen und Akzeptanz bei allen Akteuren vor und wenn erforderlich, können wir sofort handeln.

Gunnar Götz

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Leiter Betrieb Mitte bei Amprion

Vorausschauende und selektive Pflegemaßnahmen

Die Grundsätze der Trassenpflege haben sich im Vergleich zu der Zeit vor etwa 20 Jahren verändert. Früher betrieb man Trassenpflege selten, aber dafür intensiv. Alle zehn bis 15 Jahre entnahm man großflächig den gesamten Bewuchs. Das hat das optische Bild der Trasse stark verändert und war teuer. Heute pflegt Amprion häufiger, aber extensiv, in einem jährlichen Turnus.

Wir fördern Arten, die langsam wachsen und entfernen den Trassenbewuchs vorausschauend und selektiv. Das führt zu einem harmonischeren Trassenbild, ist in der Regel günstiger und erhöht gleichzeitig die Biodiversität.

Lukas Zantopp

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Leiter Umweltplanung/Naturschutz bei Amprion

Planung, Überwachung und Dokumentation aus einer Hand

Während Amprion Pflegearbeiten meist an externe Dienstleister vergibt, liegen Steuerung, Planung, Überwachung und Dokumentation beim Übertragungsnetzbetreiber. Durch dieses Gesamtkonzept sind Störfälle durch leitungsgefährdende Vegetation im Amprion-Netzgebiet äußerst selten.

Jährlich: Trassenbegehungen

Den Fachkräften für Trassenpflege kommt eine große Verantwortung zu. Sie müssen sich mit elektrotechnischen Sachverhalten ebenso auskennen wie mit dem Wuchsverhalten von Bäumen und anderen Pflanzen entlang der Trasse. Die Grundregel, die sie zu beachten haben, lautet: Der Abstand darf den geforderten Mindestabstand auch unter Berücksichtigung des Zuwachses eines Gehölzes bei größtem Durchhang der Leitung nicht unterschreiten.

Alle 5 Jahre: Befliegungen

Zusätzlich kommen Drohnen und Helikoptern zum Einsatz, um die Abstände zwischen Leiterseilen und Vegetation genau messen zu können. LiDAR – die Abkürzung steht für „Light Detection and Ranging“ – wird zur Unterstützung eingesetzt. Per „Laserscanning“ aus der Luft werden Objekte identifiziert, deren Abstand zur Stromtrasse kritisch werden könnte. Diese alle fünf Jahre stattfindenden Befliegungen ersetzen allerdings nicht die Begehungen im Rahmen des Ökologischen Trassenmanagements, sondern sind eine Ergänzung.

Info

Ökologisches Trassenmanagement

Ökologisches Trassenmanagement (ÖTM) ist ein Trassenpflegekonzept für den sicheren Betrieb oberirdischer Leitungstrassen unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte.

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