Erdkabel

Technologien und Einsatzfelder
Unter dem Oberbegriff „Kabel" verbergen sich verschiedene Technologien für verschiedene Aufgaben. Ihr Einsatz hängt von der Spannungsebene, Übertragungsleistung und -entfernung ab sowie von der Frage, ob Strom an Land oder auf See transportiert werden soll. Um zu verstehen, was die Erdkabeltechnologie leisten kann, ist es wichtig, einen genaueren Blick auf die Materie zu werfen.
Kabel auf See

© Stiftung Offshore-Windenergie / Detlef Gehring
Weltweit erfolgt die Energieübertragung in der Hoch- und Höchstspannungsebene fast ausschließlich durch Freileitungen. Wenn jedoch Inseln mit Strom versorgt, Windparks auf See mit dem Land oder die Netze zweier Länder über das Meer hinweg miteinander verbunden werden sollen, kann der Strom nur über Kabel auf dem Meeresgrund transportiert werden. Daher wurden die ersten Hochspannungskabel für den Einsatz auf See entwickelt. Bereits seit den 1950er Jahren gibt es Erfahrungen auf diesem Gebiet. Abhängig davon, wie lang eine Stromverbindung ist, wird das Seekabel als Wechsel- oder Gleichspannungskabel geplant.
Die Verlegung von Seekabeln erfolgt mithilfe von Spezialschiffen. Diese laden große Kabellängen auf, transportieren sie zur Verlegestelle auf See und installieren die Kabel anschließend auf dem Meeresgrund. Die Schiffe können Kabel mit Längen von vielen Kilometern laden. Dementsprechend benötigt man nur wenige Verbindungsstücke, also Muffen.
Kabel an Land

Standardtechnologie in der Niederspannung
Wenn Gebäude, Neubau- oder Gewerbegebiete an das Strom- oder Telefonnetz angeschlossen werden, ist es heute längst ein vertrautes Bild: Die Leitungen werden vielerorts in die Erde gelegt. In den Ortsnetzen auf der Niederspannungsebene von 230/400 Volt und der Mittelspannungsebene von 10 bis 30 Kilovolt ist die Erdverkabelung eine Standardtechnologie.
Gerade im städtischen Bereich werden seit vielen Jahren Stromleitungen, die kleinere Industriebetriebe und Haushalte versorgen, hauptsächlich als Erdkabel verlegt. Sie übertragen verhältnismäßig geringe Leistungen und werden deshalb sehr kompakt gebaut. Je höher die zu übertragende Leistung und je größer die anliegende Spannung ist, desto technisch komplexer werden die Erdkabel und deren Verlegung. Deshalb fällt ihr Anteil in den 110-kV-Verteilnetzen, die den Strom von regionalen Erzeugern aufnehmen und regional verteilen, deutlich geringer aus als in den Ortsnetzen. Die Erdverkabelung beschränkt sich hier in der Regel auf innerstädtische Abschnitte. Auf dem Land sind auf dieser Spannungsebene Freileitungen wegen der höheren Wirtschaftlichkeit der Standard.
Novum in der Höchstspannung
Das Übertragungsnetz von Amprion transportiert mit einer Spannung von 220 bzw. 380 Kilovolt sehr große Leistungen über große Entfernungen. Es dient der Versorgung ganzer Großstädte oder Ballungszentren. Zum Einsatz kommen dabei fast ausschließlich Freileitungen. Wir nutzen diese Technologie seit beinahe 100 Jahren; sie ist ebenso sicher wie wirtschaftlich. Für Kabelanlagen auf dieser Spannungsebene gilt das jedoch nicht. Sie sind Hightech-Produkte, deren Integration ins Übertragungsnetz noch nicht vollständig erprobt ist. Zudem erfordern Erdkabel für hohe Übertragungsleistungen – im Gegensatz zu Verteilnetzen – deutlich mehr Platz und lassen sich nicht so kompakt verlegen wie in den niedrigen Spannungsebenen.
Muffenbedarf bei Landkabeln
Die Verlegung von Erdkabeln an Land ist aufwendig: Lkw bringen die Erdkabel auf Trommeln von der Fabrik zur Baustelle. Weil sie dabei öffentliche Straßen nutzen und Brücken über- und unterqueren müssen, sind die Größe und das Gewicht der Kabeltrommeln begrenzt. Eine Trommel kann ein Erdkabel mit einer Länge bis zu 1.300 Metern aufnehmen. Deshalb kommen nach etwa jedem Kilometer und damit im Vergleich zu Seekabeln deutlich mehr Muffen zum Einsatz, um die einzelnen Kabelabschnitte miteinander zu verbinden.
Muffen - Achillesferse der Erdkabelstrecke

Als Muffe bezeichnet man die Verbindungsstücke, mit denen die einzelnen Kabelabschnitte miteinander zur Gesamtleitung verbunden werden. Ist eine Muffe beschädigt, kommt es zu einer Störung auf der Gesamtleitung. Bis die Muffe ersetzt wird, steht die Leitungsverbindung nicht zur Verfügung. Aufgrund der aufwendigen Reparaturarbeiten kann das längere Zeit in Anspruch nehmen. Dies hat großen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Kabelanlagen im Vergleich zu Freileitungen.
Wechsel- oder Gleichspannung?
Amprion setzt derzeit Erdkabelprojekte für die Übertragung von elektrischer Energie an Land um und plant die Umsetzung von Offshore-Netzanbindungssystemen mittels Erdkabeln. Wir integrieren die neue Technologie dabei als Pilotanwendung in unser Übertragungsnetz – eine beachtliche Herausforderung. Denn unser Netz ist ein komplexes elektrisches System, in dem viele Bestandteile wie etwa Freileitungen, Transformatoren oder Schaltanlagen perfekt zusammenarbeiten müssen. Ein Grund für die hohe Komplexität ist die Struktur unseres Netzes. Unsere Experten sprechen davon, dass es eng „vermascht" ist. Jeder Netzknoten wie etwa eine Umspannanlage ist durch Freileitungen mit mehreren anderen Netzknoten verbunden. Der hohe Vermaschungsgrad und der Einsatz erprobter verlässlicher Technologien sind die Basis für die hohe Zuverlässigkeit unseres Übertragungsnetzes.
Dieses System erweitern wir künftig durch Kabelabschnitte. Abhängig davon, welche Übertragungsaufgabe eine neue Stromverbindung haben soll, setzen wir Gleich- oder Wechselspannung ein. Die beiden Technologien unterscheiden sich physikalisch – insbesondere im Hinblick auf die sogenannte „Kapazität". Sie ist der entscheidende Faktor für die systemseitig vertretbare Länge einer Erdkabelverbindung.