Batteriespeicher im Aufwind: Trend mit Chancen und Risiken

Netzplanung
Zu sehen sind mehrere, linear angeordnete große Container mit Batteriespeichern. Dahinter sind Strommasten und Leitungen zu erkennen.
​​Batteriespeicher boomen. Doch sind sie wirklich die ultimative Lösung für die Speicherung überschüssiger Sonnen- oder Windenergie? Im Interview erklärt Amprion-CTO Dr. Hendrik Neumann, was die Anlagen leisten, aber auch, welche Herausforderungen sie mit sich bringen.​

​​Batteriespeicher boomen. Doch sind sie wirklich die ultimative Lösung für die Speicherung überschüssiger Sonnen- oder Windenergie? Im Interview erklärt Amprion-CTO Dr. Hendrik Neumann, was die Anlagen leisten, aber auch, welche Herausforderungen sie mit sich bringen.​

Die Nachfrage nach Batteriespeichern steigt stark. Wo spürt Amprion den Boom?

Dr. Hendrik Neumann: Von Ende 2022 bis Ende 2024 ist die Anzahl der Netzanschlussanfragen für Batteriespeicher in unserem Netz von zwölf auf 229 gestiegen. Insgesamt waren es bei den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern rund 650 Anfragen für neue Anschlüsse. Das entspricht einer Leistung von rund 200 Gigawatt.

Welche Chancen sind mit der Technologie verbunden?

Batteriespeicher können kurzfristig überschüssige Energie einspeichern und bei Bedarf wieder ausspeisen. Die Energieproduktion muss also nicht mehr zu jedem Zeitpunkt exakt dem Verbrauch entsprechen. Diese zeitliche Entkopplung macht das System flexibler und resilienter. Darüber hinaus können Batteriespeicher die Netzstabilität unterstützen. Das ist auch dringend notwendig, denn durch den fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien und die vom Netz gehenden Großkraftwerke wachsen die Herausforderungen für die Netzstabilität.

Das Bild zeigt ein Symbol einer Batterie mit drei vertikalen Linien auf der linken Seite, die den Ladezustand anzeigen. Das Symbol ist in schwarzer Umrisslinie gehalten und deutet darauf hin, dass die Batterie teilweise geladen ist.
Rund 650
Anfragen für Batteriespeicher-Anschlüsse

lagen den vier ÜNB Ende 2024 vor.

Wie können Batteriespeicher das Netz stabiler machen?

Sie können zum Beispiel zur Stabilisierung der Frequenz und Spannung beitragen. Diese stabilisierenden Eigenschaften haben bisher konventionelle Kraftwerke in Form von Momentanreserve und Blindleistung geliefert. Sie gehen aber nach und nach vom Netz. Batteriespeicher können einen Teil dieser Systemdienstleistungen schon heute bereitstellen. Primärregelleistung zur Frequenzhaltung wird sogar überwiegend von Batteriespeichern erbracht. Ab Ende 2025 wollen wir auch Blindleistung am Markt beschaffen, ab Anfang 2026 Momentanreserve. Betreiber von Großbatterien erhalten dadurch eine neue Erlösmöglichkeit zusätzlich zum Energiehandel an der Strombörse und zur Beteiligung an den Regelenergiemärkten.

Wo liegen die Grenzen der Technologie?

Nehmen wir die aktuellen Anschlussanfragen der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland: Sie liegen in einer Größenordnung von etwa 200 Gigawattstunden. Mit dieser gespeicherten Energie könnte Deutschland je nach Stromverbrauch für circa vier Stunden versorgt werden. Batteriegroßspeicher sind also gut geeignet, um Belastungsspitzen auszugleichen und bei kurzfristigen Schwankungen das Stromsystem stabil zu halten. Um mehrere aufeinanderfolgende Tage mit wenig Erzeugung aus Wind und Sonne – sogenannte Dunkelflauten – zu überbrücken, reicht ihr Potenzial aber nicht aus. Unsere Studien zur sektorübergreifenden Systemplanung zeigen, dass wir für eine langfristige Versorgungssicherheit auf Wasserstoffspeicher angewiesen sind. Wasserstoff hat den Vorteil, dass er über längere Zeiträume gespeichert und bei Bedarf in wasserstofffähigen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung genutzt werden kann.

Welche Herausforderungen sind mit Batteriespeichern verbunden?

Sie verhalten sich bei Netzengpässen aktuell nicht per se im Sinne der Netzstabilität, sondern so, dass sie für die Betreiber möglichst wirtschaftlich im Strommarkt zum Einsatz kommen. Ein Beispiel für so einen Fall wäre ein Netzengpass vom Norden in den Süden: Im Norden wird mehr Strom produziert, als über die vorhandenen Leitungen in den Süden transportiert werden könnte. Gleichzeitig speichern die im Süden verorteten Batteriespeicher Strom ein, anstatt ihn auszuspeisen. Das verstärkt den bestehenden Netzengpass, statt ihn zu entschärfen. Eine weitere Herausforderung beim Netzengpassmanagement: Speicher sind hochflexibel und können ihre Vermarktung quasi sekündlich ändern. Das macht es für uns schwierig, ihr Verhalten vorherzusagen. All das müssen wir als Systemverantwortliche in unseren Prozessen berücksichtigen – zusätzlich zu den wetterbedingten Prognoseunsicherheiten, die im Zuge der Energiewende deutlich ansteigen. Das heißt: Wir müssen Sicherheitsmargen einkalkulieren und unter Umständen stärker in den Netzbetrieb eingreifen.

Herr Neumann lehnt mit verschränkten Armen an einer einer Faassade eines Bürogebäudes. Er trägt Geschäftskleidung und blickt direkt in die Kamera.

Batteriespeicher verhalten sich bei Netzengpässen aktuell nicht per se im Sinne der Netzstabilität, sondern so, dass sie für die Betreiber möglichst wirtschaftlich im Strommarkt zum Einsatz kommen.

Dr. Hendrik Neumann

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CTO bei Amprion

Wie wäre mit diesen Risiken am besten umzugehen?

Erstens brauchen wir einen flexibleren Strommarkt. Die extremen Geschwindigkeiten von Batterien bei der Leistungsänderung – sogenannte Rampen – können massive Auswirkungen im Netz haben. Daher untersuchen wir die Einführung eines Stromhandels in Zeitfenstern von fünf Minuten statt wie aktuell in 15 Minuten. Zweitens gilt es, die Speicher frühzeitig in unsere Prozesse zum Netzengpassmanagement zu integrieren. Damit wir in Echtzeit handlungsfähig sind, benötigen wir neben den erforderlichen technischen Anbindungen auch Informationen zum jeweiligen Einsatz und zu den Füllständen der Anlagen. Drittens braucht es Anreize für ein netzdienliches Verhalten von Speichern – sowohl was deren Verortung als auch deren Betrieb angeht. Dafür fehlt es noch an Regularien. In branchenübergreifenden Forschungsprojekten wie „Systemstabilität 2030“ untersuchen wir, wie Batteriespeicher die Stromnetze bestmöglich stabilisieren können.

Wie gehen Sie vor diesem Hintergrund mit den zahlreichen Anschlussanfragen für neue Batteriespeicher um?

Der Großteil der Anfragen ist auf eine Inbetriebnahme vor August 2029 gerichtet – denn dann sind Anlagen für 20 Jahre von den Netzentgelten befreit. Wir sehen diese Regelung kritisch. Die Subvention von Batteriespeichern geschieht auf Kosten der Netznutzer, denn die Speicher müssen sich aktuell nicht an Kosten beteiligen, die sie eventuell im Netzbetrieb verursachen. Wir gehen allerdings davon aus, dass nicht alle der angefragten Projekte realisiert werden. Momentan kommt es zu Mehrfachanfragen an einem Netzanschlusspunkt oder auch dazu, dass Projektierer ihre Netzanschlussanfrage zurückziehen. Um für mehr Verbindlichkeit zu sorgen, hatten wir eine Gesetzesänderung angeregt, die leider bisher nicht berücksichtigt wurde. Danach hätten die Projektierer eine Gebühr für die technische Untersuchung und eine Reservierungsgebühr für das Projekt zahlen müssen. Wir hoffen, dass diese Änderungen zukünftig in eine gesetzliche Regelung aufgenommen werden, damit mehr aussichtsreiche Projekte in die Realisierung kommen.