Blackout in Spanien zeigt: „Systemstabilität ist wachsende Herausforderung“

Netzstabilität
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Eingang zur U-Bahn-Station Plaza de España in Madrid mit wartenden Menschen während eines Stromausfalls
Wie kam es im April zu der großflächigen Versorgungsstörung auf der Iberischen Halbinsel? Mit dieser Frage beschäftigen sich Expert*innen in ganz Europa. Zum aktuellen Erkenntnisstand ein Gespräch mit Dr. Christoph Schneiders, Leiter der operativen Netz- und Systemführung von Amprion.

Was wird getan, um die Ursachen der Großstörung auf die Spur zu kommen?

Die offiziellen Untersuchungsberichte werden in einem Expert Panel mit ENTSO-E, Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), ACER und nationalen Regulierungsbehörden erarbeitet. Amprion ist im Expert Panel vertreten. Die Ursachenanalyse ist komplex und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für die europäischen ÜNB ist das ein wichtiger Prozess, um Rückschlüsse aus dem Ereignis zu ziehen und daraus zu lernen. Es wird zunächst ein Faktenbericht erstellt, gefolgt von einem Abschlussbericht mit Schlussfolgerungen zur Störungsursache und abgeleiteten Handlungsempfehlungen.

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Portugal
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Spanien
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Frankreich

Karte erstellt mit mapchart.net

Welche Erkenntnisse gibt es bis jetzt?

Der aktuelle Kenntnisstand deutet darauf hin, dass das Ausmaß der Störung vornehmlich durch eine unzureichende Regelung der Netzspannung begünstigt wurde. Infolgedessen kam es zu einer kaskadierenden Trennung von Erzeugungsanlagen aufgrund zu hoher Spannung. Im Vorfeld der Störung kam es zu sogenannten Netzpendelungen, auf die mit Gegenmaßnahmen reagiert wurde – unter anderem mit einer Reduktion des Leistungsaustausches zwischen Spanien und Frankreich. Vor Eintritt der Großstörung bestand ein sehr hohes und volatiles Spannungsniveau.

Was hat schließlich zur Großstörung geführt?

Durch den initialen Ausfall einer spannungssenkenden Erzeugungseinheit folgten weitere kaskadierende Trennungen von Erzeugungsanlagen und damit ein Wegfall von Blindleistungskompensation, die zuvor spannungssenkend wirkte. Das führte zu weiteren Spannungserhöhungen. Aufgrund der Erzeugungsausfälle brach auch die Netzfrequenz ein. Die Systembilanz konnte nicht mehr aufrechterhalten werden, was die Aktivierung des Systemschutzplans mit frequenzabhängigem Lastabwurf zur Folge hatte. Dieser Lastabwurf konnte jedoch nicht den vollständigen Zusammenbruch des iberischen Stromnetzes verhindern, das dabei konzeptgemäß vom Rest des europäischen Verbundnetzes getrennt wurde.

Das ist eine netztechnische Erklärung ohne die Annahme eines böswilligen Eingriffs von außen. Kurz nach dem Vorfall wurde ein Cyberangriff vermutet. Ist da etwas dran?

Die spanische Regierung stellt in ihrem Untersuchungsbericht klar, dass es keine Erkenntnisse gibt, die für einen Cyberangriff sprechen.

Ein Mann, Dr. Christoph Schneiders, steht in Geschäftskkleidung vor einem schwarzen Monitor mit bunt leuchtenden Schaltkreisen. Er deutet sprechend mit seiner linken Hand auf einen Bereich des Monitors.

Diese Ereignis unterstreicht jetzt schon die Bedeutung von laufenden und adressierten Maßnahmen, um die Voraussetzungen für einen sicheren Systembetrieb weiterzuentwickeln..

Dr. Christoph Schneiders

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Leiter der operativen Netz- und Systemführung

Was lässt sich mit Blick auf die Großstörungen für Deutschland sagen?

Dieses Ereignis unterstreicht jetzt schon die Bedeutung von laufenden und adressierten Maßnahmen, um die Voraussetzungen für einen sicheren Systembetrieb weiterzuentwickeln. Dazu zählen unter anderem die Umsetzung der Maßnahmen aus der Roadmap Systemstabilität mit entsprechender Priorität sowie der weitere Zubau und die ausreichende Dimensionierung von dynamischen Kompensationsanlagen zur Spannungsregelung. Schließlich muss die Kraftwerksstrategie schnellstmöglich umgesetzt werden. Dabei müssen die entsprechenden Anforderungen an die Regelfähigkeit der Kraftwerke und an die Erbringung von Systemdienstleistungen auch ohne Wirkleistungserzeugung eingehalten werden. Im Rahmen der Aufbereitung prüft Amprion, ob aus der Großstörung für Deutschland neue relevante Maßnahmen abgeleitet werden können.