PV-Spitzen im Griff – wenn Photovoltaikanlagen steuerbar sind

Netzplanung Netzstabilität
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Vier weiße, moderne Einfamilienhäuser mit Solarpanelen auf dem Dach bei sonnigem Wetter.
Der starke Zubau an Photovoltaikanlagen bringt die Energiewende voran, sorgt an sonnenreichen Tagen mit niedrigem Stromverbrauch aber auch für Stress im Netz. Was auf die Netzbetreiber zukommt – und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

Erneuerbare Energien liefern inzwischen mehr als die Hälfte des Stroms in Deutschland. Vor allem der Zubau von Photovoltaikanlagen hat sich deutlich beschleunigt. Eigentlich ein Grund zur Freude. Doch der Zuwachs an Solarstrom sorgt immer häufiger für Stress im Netz, weil Leitungen zu überlasten drohen. Das Risiko besteht vor allem an sonnenreichen Tagen, an denen wenig Strom verbraucht wird. Zum Beispiel zu Pfingsten, wenn der Strombedarf von Industrie und Gewerbe gering ist.

INFO

Hellbrise

Bei einer Hellbrise kommt es zu einem Überschuss an Solar- und Windeinspeisung. Sie tritt auf, wenn die Stromerzeugung durch Solaranlagen besonders hoch ist. Der Solarstrom wird zusätzlich zu übriger erneuerbarer und konventioneller Erzeugung in das Stromnetz eingespeist, kann aber möglicherweise nicht vollständig genutzt oder gespeichert werden. Die Hellbrise ist das Gegenstück der sogenannten Dunkelflaute, bei der durch wenig Wind und Sonne die Ökostrom-Erzeugung stark reduziert ist oder ganz ausfällt und gleichzeitig viel Strom verbraucht wird.

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Das Bild zeigt drei einfache schwarze Liniensymbole auf einem weißen Hintergrund. Links ist ein Windrad dargestellt, mit einem Mast und drei Rotorblättern. In der Mitte befindet sich ein Solarpanel, das rechteckig ist und durch Linien in mehrere kleinere Rechtecke unterteilt ist, um Solarzellen darzustellen; es steht auf einer kleinen Basis. Rechts davon ist ein nach oben gerichteter Pfeil mit einem Knick in der Mitte gezeichnet, der einen Aufwärtstrend oder Wachstum symbolisiert. Die Symbole stehen nicht in einer direkten Beziehung zueinander, sondern sind separat im Bildraum angeordnet.

Dann würden Netzbetreiber am liebsten einen Teil der Photovoltaikanlagen abregeln, um Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten und Überlastungen von Stromleitungen zu vermeiden. Das ist wichtig, damit das Stromnetz zuverlässig funktioniert. „Das gelingt aber nur, wenn Photovoltaikanlagen technisch steuerbar und erreichbar sind – und wenn es erprobte Prozesse zur Abregelung gibt“, sagt Dr. Markus Stobrawe, Leiter Energiemarkt und Systemdienstleistungen bei Amprion.

Photovoltaikanlagen müssen technisch steuerbar und erreichbar sein – und es muss erprobte Prozesse zur Abregelung geben.

Dr. Markus Stobrawe

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Leiter Energiemarkt und Systemdienstleistungen

Je kleiner die Anlage, desto schwerer erreichbar

An all diesen Stellen sieht der Experte noch Luft nach oben. Nur ein Drittel der installierten PV-Leistung im Netzgebiet von Amprion ist wegen der fehlenden regulatorischen Anforderungen an die vielen Kleinstanlagen steuerbar – im Unterschied zu mehr als 80 Prozent der Windkraft-Leistung. Das hat eine Umfrage unter den Verteilnetzbetreibern ergeben. Hinzu kommen Mängel bei der Erreichbarkeit der Anlagen. Sie sinkt, je kleiner die Anlagenleistung ist, wie Verteilnetzbetreiber berichten. Ursachen für die mangelnde Erreichbarkeit seien mal defekte Bauteile, mal schlechter Empfang – oder einfach ein ausgelaufener Mobilfunkvertrag nach Eigentümerwechsel. Gelingt es Netzbetreibern nicht, die Einspeisung von Photovoltaikanlagen zu drosseln, müssen unter Umständen Stromleitungen vor Ort temporär abgeschaltet werden, um das Netz insgesamt stabil zu halten. Davon wären auch Stromverbraucher*innen betroffen. Im Netzgebiet von Amprion erwartet

Dr. Frank Reyer, Leiter Systemführung, in diesem Jahr keine solchen Eingriffe. “Es muss aber mit Blick auf die kommenden Jahre die Steuerbarkeit von Photovoltaikanlagen verbessert werden, um auch zukünftig temporäre Abschaltungen zu vermeiden.“

Ein Drittel
der PV-Leistung steuerbar im Amprion-Netzgebiet.

Grund: fehlende regulatorische Anforderungen am Kleinstanlagen.

Anforderungen an Netzbetreiber steigen

Um hier voranzukommen, hat Amprion im Februar 2025 Vertreter*innen von Verteilnetzbetreibern zu einem Workshop im Rahmen der Veranstaltungsreihe NetzDialog in die Systemführung nach Brauweiler eingeladen. „Durch den rasanten Zubau von Photovoltaikanlagen und Batteriespeichern steigen die Anforderungen an die Netzbetreiber – über alle Netzebenen hinweg“, sagte Stephan Morgenschweis, Leiter Customer Management bei Amprion. Überlastungen durch sogenannte PV-Spitzen drohen zwar vor allem in den lokalen und regionalen Stromnetzen. Dort sind die meisten Photovoltaikanlagen angeschlossen. Die Betreiber dieser Verteilnetze speisen den überschüssigen Solarstrom im Fall der Fälle allerdings in das Übertragungsnetz ein, das für den überregionalen Stromtransport zuständig ist. Damit wären auch Übertragungsnetzbetreiber wie Amprion betroffen.

Wie sich die Netzbetreiber in diesen Fällen abstimmen, war eines der Themen des Workshops. An ihm nahmen auch Vertreter*innen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz teil.

„Uns ist es wichtig, dass Amprion zusammen mit den Verteilnetzbetreibern in der Regelzone über die konkreten Themen der Zusammenarbeit in puncto PV-Überschuss ins Gespräch kommt, die Rollen und Aufgaben klar definiert und auch über Maßnahmen zu Stabilisierung der Netze und die Abschaltkaskade spricht“, sagte Thorsten Falk, Referatsleiter Systemsicherheit im Ministerium.

Neue Regeln für Anlagen ab sieben Kilowatt

Für ihn steht fest: „Für Markt- und Netzprozesse ist die sichere Steuerung aller verpflichteten Anlagen zentral und muss deutlich verbessert werden.“ Die Teilnehmenden des Amprion-Workshops diskutierten über geeignete Maßnahmen. Aber auch die am 25. Februar 2025 in Kraft getretene Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes wird den Netzbetreibern weiterhelfen: Erzeugungsanlagen ab einer Leistung von sieben Kilowatt sind künftig nicht nur mit intelligenten Messystemen, sondern auch mit Steuereinrichtungen auszustatten. Das war bislang nur für Anlagen ab 25 Kilowatt Leistung vorgesehen. Die Ausweitung ergibt Sinn: Drei von fünf Photovoltaikanlagen im Bereich der LEW Verteilnetz GmbH in Süddeutschland fallen beispielsweise in die Leistungsklasse von sieben bis 25 Kilowatt.